Freibeuter des Bieres

Wie wird Bier von Hand gebraut? Wir haben zugeschaut in der Giesinger Biermanufaktur und am Ende ein herrliches Märzen genossen.

Als Hans Albers von der „kleinen weißen Möwe” singt, streicht sich Tobias Weber versonnen über den roten Bart, den er stolz über dem Südwester trägt. Zwischen seinen Gummistiefeln schwappt das Wasser hindurch und draußen treibt der Wind Schneeregen vor sich her. Eigentlich der perfekte Moment für einen steifen Grog – nur dass man hier eher auf eine „z” schwört.

Denn wir sind nicht hoch im Norden, sonder tief in München - Untergiesing, wo die Bayernpartei ihre Zentrale hat, der ICE Gemeindebauten im zweiten Stock passiert und Lokale „Maibaumstüberl” oder „Harlekin” heißen. Weiter oben, am Nockherberg, da herrscht imposant die Paulaner Brauerei, in deren Sälen jedes Jahr mit dem Starkbieranstich der Höhepunkt der Münchner Fastenzeit inszeniert wird. Hier unten aber braut die Giesinger Biermanufaktur von Hand in einem Hinterhof. Und heute steht Märzen auf dem Programm.

Vom Märzen der Brauer

Märzen? „Das war früher das letzte Bier, das man im Winter gebraut hat,” erklärt Braumeister Tobias Weber. Und damit war es auch das letzte, das beim Gären noch mit frisch geschlagenem Eis gekühlt werden konnte und so als besonders „untergäriges” Bier einen etwas höheren Alkoholgehalt als das Helle entwickelte, Münchens Standard-Bier. Daran orientiert sich Simon Panitz, wenn er am Morgen mit der Maische die Basis fürs Brauen ansetzt. Dazu schüttet der angehende Braugeselle Gerstenmalz und Wasser in die Sudpfanne. Malz, das ist Getreide, das zum Keimen gebracht und anschließend getrocknet wird; so geben die Körner beim langsamen Erhitzen in Wasser besonders viel Stärke und zugleich Enzyme ab, die beim Umwandeln der Stärke in Zucker helfen.

Ums Mälzen selbst müssen sich die Brauer heute nicht mehr kümmern, sie geben ihrem Bier durch die Wahl der richtigen Sorte den Grundgeschmack. Fürs Giesinger Märzen wird dazu Münchner, Wiener und Pilsener Gerstenmalz gemischt. Die Namen stehen nicht für die Herkunft des Getreides, sondern für die ortstypische Art des Mälzens. Münchner Malz wird zum Beispiel durch Trocknen bei bis zu 120 Grad fast schon geröstet, „ähnlich wie beim Kaffee”, sagt Weber – Relikt aus einer Zeit, als man in Bayerns Landeshauptstadt vor allem dunkles Bier trank.

Knapp zwei Stunden wird die Maische auf 60-70 Grad erhitzt, dann wird sie in den Läuterkessel umgefüllt, um das Flüssige vom Festen zu trennen. Dabei werden weitere Aufgüsse mit Wasser gemacht, bis nach rund drei Stunden rund 500 Liter unten aus dem Hahn geplätschert sind. Diese „Vorderwürze” hat bereits die Farbe von Bier und schäumt auch schon ordentlich, schmeckt aber wie leichtes Zuckerwasser mit ein bisschen Malzbonbon darin – nicht übel, aber noch nichts fürs Wirtshaus.

Gutes Bier muss kochen

Damit daraus Bier wird, muss es zurück in den Sudkessel, wo es nun 1 1/2 Stunden langsam gekocht wird. So konzentrieren sich der Grundstoffe, während die störenden Aromen verduften. Zugleich wird das Getränk haltbar gemacht – und der Hopfen kann seinen leichten Bitterton entfalten. 200 Gramm, gerade mal ein halber Trinkbecher voll gemahlener und gepresster Hopfenblüten hat Weber zu Anfang in den 500-Liter-Kessel geschüttet, um dem ganzen die richtige Würze zu geben.

Jetzt schaut Steffen Marx zur Werkstatttür rein. Während Tobias Weber hier drinnen der Chef ist, macht Marx den Außenminister der Biermanufaktur, kümmert sich um Vertrieb, PR und auch schon mal um Durstige, die hier einen Kasten Bier oder auch zwei kaufen wollen. 1500 Liter produziert die Manufaktur in der Woche, die vor allem an Kioske und an eine Hand voll Lokale in der Umgebung geliefert werden. „Als wir hier 2006 in einer ehemaligen Geflügelschlachterei bei Null anfingen, holten sich erst die Nachbarn unser Bier, dann die Straße, schließlich das ganze Viertel”, erzählt Geselle Panitz, „inzwischen kommen die Leute bis aus Dachau.”

Frisch schmeckt’s am besten

Was aber immer noch gerade so zum Leben reicht, weswegen die Biermanufaktur öfters zum „Bierlabor” wird, in dem kleine Gruppen einen Grundkurs im Bierbrauen machen können. Und solch eine Gruppe steht in einer Stunde vor der Tür, außerdem muss in den Kellertanks Platz für das frisch gebraute Bier gemacht werden, weswegen Marx jetzt mit anpackt. Er zieht die mitten im Raum stehende Abfüllanlage zu sich heran, spannt die Bügelflaschen ein, auf drei Barhockern werden Etiketten in Leim eingeweicht, nachdem Panitz das Haltbarkeitsdatum darauf gestempelt hat; dann wird zischend und klappernd eine Flasche nach der anderen abgefüllt, während Hans Albers einen weiteren seiner Möwenklassiker nölt und Meister Weber für eine Zigarette vor die Tür geht.

Später am Abend wird der Sudkessel abgelassen und der Bieransatz mit Hefe versetzt, um im Kühlraum nebenan zehn Tage bei zwölf Grad zu Gären, anschließend geht es noch mal zum Nachgären für 4 Wochen bei null in den Keller, bis alles auf Flaschen gezogen wird – um dann so bald wie möglich getrunken zu werden. „Einmal in der Flasche, wird das Bier nicht mehr besser”, sagt Tobias Weber, lässt mit dem Daumen den Keramikkorken aufploppen und nimmt einen tiefen Schluck in der Geselligkeitsecke seiner kleinen, feinen Brauerei. Gebraut von Hand, von Hand genossen.